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Lingam-Figuren

 

 

 

 

LINGAM-FIGUR

Das Lingam gilt in Indien als Sinnbild der formlosen Schöpfung.

Er wird gemeinsam mit Yoni, dem Ursprung der Schöpfung, abgebildet.

Lingam-Tempel auf der Insel Elephanta vor Mumbai 

 

Meine Lingam-Figur besitzt eine männliche und weibliche Körperform. Sie ist sozusagen ein menschliches Strichwesen und wird, bis auf das Auge, in einem Zug gezeichnet.

Beide Figuren sind mehr als nur ein Zeichen, sie sind spirituelle Ikonen, denen ich manchmal Worte und Weisheitssätze zuordne. Jede Arbeit ist nicht nur ein Symbol für das Abbild von Mann und Frau, es ist gleichzeitig auch die künstlerische Darstellung von der Einheit aller Dinge.

Symbol und Idee ist in meinen Lingam-Darstellungen unauflösbar miteinander verbunden. Kunst ist meiner Meinung nach der Versuch, die Natur durch menschliche Entwürfe zu begreifen, zu umgrenzen, um den steten Prozess des Lebens für die Betrachtung anzuhalten. Der Künstler entwirft nach seinen Visionen Zeichen dieser stetig wandelnden Natur. Kultur gründet sich auf dieser Zeichenproduktion. Aus der Verwendung der drei Farben: weiß-rot-schwarz habe ich ein intuitives Dreifaltigkeits-Prinzip entwickelt, das in die Farbe gold mündet.

 

Zeichen Triade

 

Farbe Weiß

Farbe Rot

Farbe Schwarz

Farbe Gold (die Einheit der drei Farben)

Weiblich

Körper/Geist

Männlich

Anfang

Raum

Unendlich

Ordnung

Zeit

Chaos

 

Symbol Triade 

Anima

Eros/Ritual

Animus

Große Mutter

Mythos/Logos

Held

Geburt

Sein

Tod

 

Verschiedene Aspekte meiner Arbeit:

Idee, Raum, Zeit:

Indem ich die Lingam-Figur aus einem Papierbogen herausschneide, erhalte ich einen körperlichen Umriss. Die so entstandene Schablone ist der Ausgangspunkt meiner Arbeit, sozusagen die Idee oder die ewige Form des Menschen (Platos Ideenlehre). Indem ich diese Schablone als geistige Vorlage für meine Sprayarbeiten benutze, entstehen zwei künstlerische Arbeiten in einer gegenseitigen Abhängigkeit. Einmal das Abbild, das in den Raum gesprayt wird, und einmal die Schablone selbst, die in Laufe der Zeit durch die gesprayten Farbrückstände zum eigenständigen Werk wird. Die in den Raum (nur auf dem Boden, Bürgersteig, begehbare Steinplatten) gesprayten Figuren verschwinden in der Zeit, je nach Witterung und der Häufigkeit, in dem sie von Menschen betreten werden. Das ewige Symbol und das veränderbare Zeichen bilden so eine Einheit.

 

gesprayter Lingam an der Elbe

 

Für mich ist diese Arbeit Ausdruck unseres latenten Körper-Geist-Problems und offenbart ein komplexes Wechselspiel aus Sein und Erkenntnis, Raum und Zeit.

 

Auge und Mund:

Der Kopf der Lingam-Figur ist keine leere Rundung, er enthält das Zeichen Auge und Mund. Durch die Seitenansicht ist nur ein Auge zu sehen. Es ist ebenfalls eine hohle Rundung, losgelöst von der Umrisslinie der Lingam-Figur. Das bildliche Loch des Auges ist eine innere Öffnung. Es steht einerseits für das Auge der Erleuchtung, das Auge Gottes und der Ewigkeit, das ‚sich selbst genügende‘ Auge. Anderseits ist es der Ausdruck des geistigen Blicks und kann so auch als das ‚innere Auge‘ interpretiert werden.

Der Mund gehört zur allumfassenden Linie der gesamten Figur, die keinen Anfang und kein Ende hat. Trotzdem nimmt der Mund, mit seiner nach außen gerichteten Öffnung, Kontakt mit dieser Außenwelt auf. Der Mund gilt als das Symbol für den zerreißenden, verschlingenden Aspekt der großen Mutter. Er wird auch als Eingang zur Unterwelt gesehen. Das Öffnen des Mundes kann auch als Urteilsspruch gedeutet werden, der die Macht des gesprochenen Wortes darstellt. In diesen Zeichen, Auge und Mund, drückt sich für mich die aufeinander bezogene Wechselwirkung von Aggression und Meditation aus. Sie zeigt unser unstillbares Bedürfnis nach geistiger Spiritualität und körperlicher Einverleibung.

 

Haut und Knochen:

Die Haut einer ausgeschnittenen Lingam-Figur besteht aus Papier. Um diesem Papier Festigkeit zu verleihen und es gleichzeitig plan zu halten, wird auf das Papier feine Holzleisten geklebt. Die Holzleisten stützen die Stabilität der Figur, sie sind eine Art Knochen. Dieses Abbild steht in diesem Fall für den verletzlichen Menschen.

 

Licht und Schatten:

Ein Aspekt meiner Arbeit beschäftigt sich mit den so genannten „Lichtkästen“, die dem platonischen Höhlengleichnis nachempfunden sind. Platon beschäftigt sich darin mit dem gewöhnlichen Dasein. Unsere Sinne lassen sich von bloßen Schatten-Erscheinungen täuschen, die an die Höhlenwand geworfen werden. Sie sind uns das Wahre. Doch dieser äußeren Täuschungswelt steht die innere Ideenwelt des Menschen gegenüber. In manchen Arbeiten lasse ich direkt das Licht den abbildenden Part übernehmen, in dem ich Schablonen auf Papier über lange Zeit dem Sonnenlicht aussetze.

 

 

 

Performance in Mumbai, Hauptbahnhof Dezember 2007

 

 

Aura und Medien-Zeitalter:

Die Schablone ist für mich die künstlerische Nachbildung der platonischen Idee, in der sich die Nachahmung dieser Idee bildlich ausdrücken kann. Die Idee wird in meiner Arbeit gewissermaßen wie in einem modernen Druckverfahren reproduzierbar. Bezüge zur Entwicklung in den heutigen Massenmedien liegen auf der Hand. Der Verlust der Aura, der in Walter Benjamins Text „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ beschworen wurde, wird von mir augenzwinkernd aufgehoben. Durch das Einbeziehen von reproduzierten Vorlagen (z.B. Postkarten) in meine Arbeit, erhalten die industriellen Massenwaren eine neue Aura, in dem sie mit besprayten Lingam-Figuren zu Unikaten erklärt werden.